Silber wird knapp. Im letzten Jahr wurden 7.393 Tonnen Silber mehr nachgefragt, als angeboten wurde. Das ist ein deutlicher Sprung gegenüber dem Vorjahr, bei dem die Nachfrage bei 5.809 Tonnen Silber lag. Trotzdem liegt der Silberpreis noch in einem der Situation völlig widersprechenden niedrigen Niveau.
Die weltweite Silbernachfrage betrug 2022 rund 38.640 Tonnen. Umgerechnet auf die branchenübliche Mengenangabe in Feinunzen sind das 1.242,4 Millionen Feinunzen Silber (1 Feinunze = rund 31,1 Gramm). Im Vergleich zum Vorjahr 2021 stellt dies einen Nachfragezuwachs von rund 18 Prozent dar. Die Quelle dieser Zahlen ist das aktuelle World Silver Survey des Silver Institute, die Marketing- und Lobbyorganisation der Silberförderer und Minenbetreiber.
Interessant der Vergleich der Silbernachfrage mit der weltweiten Goldnachfrage. Diese betrug in 2022 rund 4.741 Tonnen. Mengenmäßig betrachtet lag damit die Silbernachfrage rund 8x höher.
Wie teilt sich die Nachfrage auf?
Die Gesamtnachfrage nach Silber in sechs Segmente aufgeteilt. Diese teilten sich in 2022 1.242,4 Millionen Feinunzen Silber wie folgt auf:
Industrie: 556,5 Mio. Oz
Fotografie: 27,5 Mio. Oz
Schmuck: 234,1 Mio. Oz
Silberwaren: 73,5 Mio. Oz
Physisches Investment: 332,9 Mio. Oz
Hedging: 17,9 Mio. Oz
Nach Sektoren betrachtet verliefen in 2022 die Entwicklungen aber unterschiedlich. Herausstechend mit einem Zuwachs von 409 Prozent war der der Sektor „Hedging“. Hedging bedeutet Absichern. Hier wird die Menge physischen Silbers gemeint, die für die Herausgabe von Silberpapieren durch die Emittenten in deren Tresoren verwahrt werden muss. Gerade der Handel mit Silberpapieren spielt eine enorme Rolle bei der Preismanipulation von Silber.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass erheblich mehr Silberpapiere im Umlauf sind, als durch physisches Silber gedeckt sind. Teilweise befinden sich 300 bis 500 Papiere je Einheit Silber im Handel. Dadurch wird scheinbar eine viel größere Menge Silber gehandelt, was dann einen starken Einfluss auf die Preisentwicklung hat. Offenbar gibt es mächtige Interessenten, die einen niedrigen Silberpreis anstreben und enorme Mühsal auf sich nehmen, dieses Ziel zu erreichen.
Unter Producer Hedging versteht man allgemein Absicherungsgeschäfte über den vorgezogenen Verkauf durch die Minenbetreiber, der größtenteils der Preisabsicherung dient. Auch aktueller Kapitalbedarf der Unternehmen kann ein Grund für vorgezogene Verkäufe sein. Gegenteilige Geschäfte, also Rückkäufe, sind ebenfalls möglich. Diese werden als De-Hedging bezeichnet.
Die saldierte Netto-Hedging-Position kann die Gesamtnachfrage also erhöhen (mehr De-Hedging als Hedging) oder senken (mehr Hedging als De-Hedging). Im Jahr 2022 betrug das Netto-Hedging 17,9 Millionen Feinunzen (=De-Hedging). Es wurde also mehr Silber rückgekauft. Dies entspricht einer bemerkenswerten Steigung gegenüber 2021 um 409 Prozent.
Im Sektor Silberwaren war auch ein großer Zuwachs erkennbar. Aufgrund des geringen Anteils an der Nachfrage, fällt dieser Zuwachse jedoch recht wenig ins Gewicht. Relevanter waren da die Zuwächse in den Sektoren Schmuck (+ 29 Prozent), Investment (+22 Prozent) und der Industrie mit +5 Prozent. Gerade die Industrie, die den größten Anteil der Silberproduktion nachfragt, bildet trotz nur 5 Prozent Zuwachs den deutlich größten Nachfrageanstieg.
Sektor-Zuwachs gegenüber 2022 in Prozent
Industrie + 5 Prozent
Fotografie – 1 Prozent
Schmuck + 29 Prozent
Silberwaren + 80 Prozent
Phys. Investment + 22 Prozent (Münzen & Barren)
Hedging + 409 Prozent
Die Angebotsseite bei Silber
Das Silberangebot auf dem Weltmarkt speist sich im Wesentlichen aus vier Quellen: Neu gefördertes Silber aus Silberminen, recyceltes Silber, Hedging Verkäufe durch die Betreiber von Silberminen und staatliche Silberverkäufe, die auf den Markt gelangen, etwa von Münzprägeanstalten oder Zentralbanken.
Neu gefördertes Silber: 822,4 Millionen Feinunzen
Recyceltes Silber: 180,6 Millionen Feinunzen
Netto-Hedging: (- -)
Staatliche Verkäufe: 1,7 Millionen Feinunzen
Für 2022 ergab dies in der Summe ein Silberangebot von 1.004,7 Millionen Feinunzen Silber, umgerechnet rund 31.250 Tonnen. Vergleicht man das Angebot mit den vergangenen Jahren, wird deutlich, dass es keine nennenswerten Veränderungen beim Silberangebot gab.
Land, Silberförderung 2022 in Millionen Feinunzen 1
Mexiko, 199,2
China, 111,8
Peru, 107,0
Polen, 42,4
Chile, 41,9
Fazit: Goldene Perspektive für Silber
Angebot und Nachfrage ergeben kein Gleichgewicht. In 2022 lag die Nachfrage um 7.393 Tonnen über dem Angebot. Diese „Lücke“ dürfte aus Angebotsüberschüssen der vorigen Jahre geschlossen worden sein, die dort im Saldo meist zu Buche standen.
Perspektivisch ist erkennbar, dass die Unterstützung von Technologien zur Gewinnung alternativer Energien, der Ausbau der Elektromobilität und andere Industriezweige die Nachfrage nach Silber deutlich steigern werden. Allein ein Elektroauto benötigt bei der Herstellung 3 bis 4 Unzen Silber. In einem Verbrennerfahrzeug wird nur etwa ein Viertel der Silbermenge verbaut.
Auf lange Sicht sind damit sehr gute Chancen für Silber erkennbar. Eine beherzte Investition zu aktuell sehr günstigen Preisen dürfte sich langfristig mehr als auszahlen.
Bildrechte: Michael Sielmon